Der Morgen beginnt bei Dorian und Pearl nicht wie bei anderen Paaren. Die Sonne schimmert durch die großen Fenster ihres Hauses, die Geräusche des Meeres sind allgegenwärtig – beruhigend, rhythmisch, fast wie ein Atem. Pearl liegt zusammengerollt auf dem weichen Teppich am Fußende des Bettes, ihre Haut noch von den Spuren des Vorabends gezeichnet. Sie trägt ein auffälligesbreites Halsband – ein Symbol ihrer Rolle, aber auch ihrer Wahl.
Dorian tritt barfuß neben sie, legt zwei Finger unter ihr Kinn und hebt ihr Gesicht sanft an. Ein Blick genügt, und sie weiß, was zu tun ist. Ihr Alltag folgt keiner festen Uhrzeit, sondern einer Abfolge von Ritualen, Regeln und Intuition. Vertrauen ist ihre Grundlage, Lust ihre Währung.
Nach einem leichten Frühstück – meistens Obst, frisch aus dem kleinen Gewächshaus – machen sie sich auf den Weg in den Berg. Der Eingang zum Dungeon ist gut getarnt, von außen kaum mehr als eine unscheinbare Steinplatte, die sich auf Knopfdruck zur Seite schiebt. Dahinter führt ein beleuchteter Gang tief in das Innere der Insel – in ihr Reich der Schatten.
Der Dungeon ist kein düsteres Verlies, sondern ein sorgfältig gestalteter Ort der Fantasie. Raum für Raum bietet neue Möglichkeiten: Ein Trainingsbereich mit Andreaskreuz, Seil- und Suspension-Zonen, ein Raum mit Spiegeln und weich gepolsterten Bänken, ein Käfigzimmer, und ihr ganz persönlicher Thronsaal – Dorians Domäne.
Pearl liebt es, in Rollen zu schlüpfen. Mal ist sie sein folgsames Pet, das auf allen vieren durch die Räume kriecht, mal seine Rebellin, die gezähmt werden will. Ihre Sessions sind nie gleich – mal sinnlich, mal hart, mal voller Lachen, mal mit Tränen der Ekstase. Nach dem Spiel folgt immer Nähe: warmes Wasser, sanfte Hände, ehrliche Gespräche. Aftercare ist heilig.
Doch nicht alles dreht sich um BDSM. Auf der Insel haben sie ein gemeinsames Leben aufgebaut – mit Kreativität, Arbeit und Stille. Dorian schreibt an einem Buch über psychologische Aspekte von Macht und Vertrauen, Pearl gestaltet Schmuck aus Fundstücken vom Strand. Einmal in der Woche fahren sie mit dem Boot aufs Festland – Vorräte, Kontakte, ein Hauch Normalität.
Am Abend sitzen sie oft auf der Veranda, nackt oder locker eingehüllt, mit einem Glas Rotwein in der Hand. Die Sonne versinkt im Ozean, und ihre Silhouetten verschmelzen mit dem goldenen Licht.
„Weißt du“, sagt Pearl manchmal, während sie sich an Dorian lehnt, „ich hätte nie gedacht, dass man sich in Ketten so frei fühlen kann.“
Und Dorian lächelt – wissend, still, dankbar.